Wenn der Kampf gegen Rassismus zum Antisemitismus wird…

Abseits der Österreichischen Politik, die uns in den letzten Wochen doch sehr beschäftigte, ist ein Skandal geschehen, der leider viel zu wenig Beachtung fand. Im Stift Melk in Niederösterreich wurde eine wirklich sehenswerte und sehr weise recherchierte Ausstellung für Frieden in Palästina abgehängt, weil jüdische Netzwerke die schwelende Kritik am Treiben Israels erkannten und radikal beseitigt sehen wollen. Wer in Mitteleuropa den Staat Israel wegen seiner Verbrechen gegen die Palästinenser outet, riskiert umgehend, als Rassist und Antisemit verfolgt zu werden. Dieses Schicksal ist einem 80-jährigen Pater aus dem Stift Melk nun widerfahren, der seit Jahren für Frieden in Palästina eintritt.
Sein Geburtstagsgeschenk, jene Ausstellung als Kopie einer deutschen Wanderausstellung, wurde nun im Stift Melk nach nur zwei Wochen wieder abgehängt, weil die Israelische Lobby in Österreich jene Bloßstellung der israelischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Antisemitismus bekämpft. Und das Stift Melk ist bedauerlicher Weise vor dem Druck dieser Lobby in die Knie gegangen.
Erlauben Sie mir dazu meine offenen Gedanken

Als Kind saß ich meist uninteressiert beim Fernseher, wenn meine Eltern sich gerade durch die Zeit-im-Bild wieder auf den neuesten Stand der Weltgeschehnisse bringen ließen. Nur selten sah man dort Bilder, die kindgerecht etwas Nettes erzählten. Weit häufiger wurde ich an der Flimmerkiste Zeuge von Gewalt und Not der Menschen.

Bald schon aber begriff ich, dass es allzu oft Menschen sind, die anderen Menschen viel Leid zufügen. Und zunehmend interessierte ich mich für solche Berichte. Was sind das für Menschen, die andere quälen oder sonst in Not bringen? Und ich erfuhr von Personen oder ganzen Gruppen, die dafür verantwortlich sind. Ganz an der Spitze standen natürlich der Amerikaner und der Russe als die beiden Streithähne mit dem größten Gefahrenpotential, die ständig mit Krieg spielten.

Aber noch eine andere Gruppe von unguten Menschen lernte ich mit der Zeit kennen: Jene Menschen, die andere Menschen aufgrund von deren Hautfarbe oder Herkunft oder Religion verfolgen, einsperren oder eben zu Tode quälen. Ganz prominent waren hier natürlich die Südafrikaner, deren prominentestes Opfer in meiner Wahrnehmung Nelson Mandela war. Aber schon an zweiter Stelle hörte ich von einem Arafat, der über das massive Leid klagte, welches ihm und seinem Volk vom Staat Israel zugefügt werde. Und hier war ich ein erstes Mal verunsichert: Israel? War das nicht jenes Volk, von dem die Religionslehrerin immer im Unterricht erzählte und zu dem auch Jesus gehörte? Als ich dann auch noch über die PLO und deren Anschläge hörte, wo unzählige Menschen mitten in der Stadt den Tod fanden, war ich komplett verwirrt. Irgendwie war das jetzt seltsam: Auf der einen Seite klagt dieser Arafat, weil man so gemein zu ihm ist, auf der anderen Seite sind es scheinbar seine Leute, die andere Leute in die Luft sprengen. Mein kindliches Gemüt war damit auf jeden Fall überfordert.

Als ich dann ins Gymnasium kam, wurde die Sache keinesfalls besser. Nun lehrte mich der Geschichtelehrer, wie schlimm es den Juden im zweiten Weltkrieg erging und ich wurde mit einem Schuldgedanken konfrontiert, der mich seit jener Zeit regelrecht verfolgt. Zur Untermalung der Lerninhalte wurden mir Fotos und Filme von Juden im Konzentrationslager vorgeführt mit der eindringlichen Botschaft, dass ich all das ja nie vergessen dürfe. Nun ja, vergessen werde ich jene Bilder ganz gewiss nicht, denn es prägt sich einem Kind schon ein, wenn man derart mit Horrorbildern überfüttert wird. Heute darf ich feststellen: Ich wurde als Schüler durch ausgewählte Bilder des Schreckens in meiner kindlichen Seele schwer traumatisiert – im Dienst gegen das Vergessen.

Auch Filme wie Schindlers Liste, die natürlich großes Leid sehr eindrucksvoll darstellen, dienten vorwiegend nur einem Zweck: Ich sollte das Leid der jüdischen Bevölkerung internalisieren und die Schuld meiner Großeltern nie vergessen. Besser noch, ich sollte meine Schuld als deren Enkel nicht vergessen.

Inzwischen ist viel Zeit ins Land gegangen und ich habe mich viele Jahre mit Theologie, Philosophie, sowie Gesellschaftslehre und Soziologie beschäftigt. Und gerade die Beobachtung des Weltgeschehens ließ mich in manchen Gedanken reifen und neue Schlüsse ziehen. So bin ich inzwischen nicht nur ein angelernter Gegner von Rassismus, sondern ich bin es aus ganzem Herzen. Ich hasse jede Form von Unrecht gegen unbedarfte Menschen, ich hasse jede Form von Ausgrenzung aufgrund religiöser, sozialer oder kultureller Distanzen. Vor allem aber hasse ich jede Form von Bigotterie und Verlogenheit in diesem Umfeld.

Wenn mir nun der Fall in Melk begegnet, dann kann ich daher nicht stillhalten und verspüre einen immensen Drang zur Stellungnahme. Erlauben Sie mir, einmal offen und klar ein paar Dinge festzuhalten:

  • Es waren beileibe nicht nur Juden, die im Nazideutschland zu Tode kamen. All die Sinti und Roma, aber auch all die Sozialisten und Katholiken dürfen keinesfalls vergessen werden. Und auch die behinderten oder sonst benachteiligen Randschichten der damaligen Gesellschaft, die kurzerhand euthanasiert wurde, gehören ohne Unterschied mit dem Leid der damaligen Zeit in Verbindung gebracht. Die Juden waren zweifelsohne die größte Opfergruppe – aber es ist ein Unrecht gegen alle anderen Opfer, wenn sich diese eine Gruppe exklusiv bedauern lässt.
  • Wir hören immer wieder von den jüdischen Opfern, die sich vor den Nazischergen versteckten mussten und nach ihrer Entdeckung meist im KZ starben. Wir hören aber nahezu gar nichts von all den mutigen und bewundernswerten Menschen, die jene Leute versteckten! Auch diese Menschen mussten bei einer Entdeckung große Opfer bringen! Aber für sie interessiert sich niemand.
  • Krieg und Diktaturen sind grausam! Vor allem aber verändern beide Erscheinungen immer die Besitzverhältnisse. Was mir aber auffällt, ist, dass heute noch Besitz an jüdische Familien zurückgegeben wird, während all jene Enteignungen anderer Opfergruppen längst nicht mehr Thema sind. Außerdem muss gefragt werden, weshalb nur jene Opfer des zweiten Weltkriegs entschädigt werden – hätten nicht die Opfer des ersten Weltkriegs ebenso ein Recht auf Restitution?
  • Meine Mutter wurde nach dem zweiten Weltkrieg geboren, was mich zur zweiten Generation nach dem Krieg macht. Aus diesem Grund verwehre ich mich mit allem Nachdruck gegen sämtliche Formen der kollektiven Schuldzuweisung durch Vertreter Israels oder anderer jüdischer Exponenten. Ich habe mit den damaligen Gräueltaten nichts gemein, ich trete offen für eine philanthrope Akzeptanz aller Menschen ein und ich weigere mich, als latenter Judenhasser aufgrund meiner Abstammung gesehen zu werden.
  • Noch deutlicher formuliert: Ich will die Gräuel des Zweiten Weltkrieges geistig so behandeln, wie ich all die früheren und späteren Kriege behandle: Als schwere Fehler der Menschheit an sich. Für mein konkretes Leben sind die Gräuel von Srebrenica weit greifbarer und wichtiger, als das Geschehen des Zweiten Weltkrieges. Und die Ghettos der Palästinenser in Israel berühren mich deutlich mehr, als die Ghettos in Warschau.
  • Gerade die Ausstellung in Melk zeigte sehr deutlich, wie die jüdischen Siedler aus aller Welt im Rahmen des Zionismus ab 1900 gezielt die palästinensische Bevölkerung oft mit brutaler Gewalt vertrieb. Theodor Herzl wird lange vor jedem Nationalsozialismus der Deutschen die Aussage zugeschrieben: “Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen.” Herzl spricht hier gezielt von Deportation zum Zweck der Landnahme durch die Zionisten!
  • Die von den Israelischen Vertretern so heftig bekämpfte Ausstellung zeigt zu deutlich, wie der Zionismus im heutigen Israel schon vor dem Zeiten Weltkrieg an den Palästinensern Verbrechen beging, die im Deutschen Reich den Juden selbst zugefügt wurden. In Wahrheit sind die KZ das einzige, was wir, gottseidank, bis heute in Israel nicht entdecken mussten.
  • Wenn nun jemand glaubt, die Zionisten hätten aus dem Grauen des Zweiten Weltkrieges etwas für ihr eigenes Verhalten gelernt, der muss bitter enttäuscht werden. Denn in Wahrheit hat der moderne israelische Staat primär nur eines aus dem Schicksal im Deutschen Reich gelernt: Wie werde ich ein ungeliebtes Volk los, ohne in der Welt dafür gebrandmarkt zu werden.
  • Es gilt daher in meinen Augen festzuhalten, dass die in der Gegenwart wohl größten Rassisten und Verbrecher gegen so ziemlich alle Menschenrechte gleichzeitig die Welt mit der ständigen, eigenen Opfermystik in Geiselhaft halten. Jetzt, 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, wird es endlich an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und die Verbrechen der Gegenwart mit offenen Augen wahrzunehmen!
  • Ganz nebenbei darf ich noch etwas sehr wichtiges erwähnen: So, wie Franzosen und Deutsche gleichermaßen zur Indogermanischen Völkergruppe gehören, sind Palästinenser und Juden gleichermaßen Mitglieder der semitischen Völkergruppe. Demgemäß stelle ich in den Raum, dass die schlimmsten Antisemiten der Gegenwart in Wahrheit im Staat Israel zu finden sind!

Was will ich aber mit meinem Blog erreichen? Ich will zum Nachdenken anregen und zur Überwindung der Antisemitismuskeule, die jeden erschlagen will, der sein Hirn gebraucht. Ich will die Not der Palästinenser in den Mittelpunkt rücken, ohne deren Terrorismus zu verniedlichen oder gar zu rechtfertigen: Jede Form von Gewalt ist immer abzulehnen.

Ich will aber vor allem diese eine Ausstellung ins Zentrum rücken. Es geht in der Ausstellung in keiner Weise um die Schaffung von Feinbildern – genau das Gegenteil wird gesucht. Es geht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, wie man in Palästina endlich Frieden schaffen kann. Dass dabei natürlich zuerst Wahrheiten offengelegt werden müssen, liegt in der Natur der Sache: Ein dauerhafter Friede kann niemals auf Lügengebäuden und Selbsttäuschung gebaut werden.

Wer sich also gegen diese Vorgänge in Österreich, gegen die blinde Antisemitismuskeule und gegen die geistige Bevormundung durch zweifelhafte Ideologien wehren will, den lade ich herzlich ein, meine Gedanken zu teilen. Vor allem aber lade ich ein, folgende Seite zu besuchen: www.friedeninpalaestina.de

Lassen Sie nicht zu, dass Verbrecher gegen die Menschlichkeit und die einzig wahren Antisemiten in ihrem Tun in Österreich Erfolg haben.

Gleichzeitig möchte ich mich am Ende meiner doch sehr emotionalen Worte bei all den Juden in Österreich und auf der Welt entschuldigen, die ich nun selbst in einen Topf warf, der ihrem Wesen fremd ist. Ja, es gibt weit mehr einsichtige Juden, als uns die Berichte in den Medien glauben machen. Es gibt zahlreiche weise Menschen dieses Volkes, die längst schon einen tiefen und ehrlichen Frieden mit den Palästinensern herbei sehnen. Und in Wahrheit ist diesen guten und rechtschaffenen Juden jene Ausstellung gewidmet: Damit ein Friede möglich wird.

Einer dieser wahrhaft Rechtschaffenen soll meinen Beitrag beschließen:
Erich Fried, 6.Mai 1921 – 22.November 1988 , geboren in Wien und mit 17 vor den Nazis nach England geflohen, schrieb viele Jahre später:

Zur Zeit der Verleumder

Sie nennen mich Verräter an meinem Volk.
Sie nennen mich Jüdischer Antisemit, weil ich spreche von dem,
was sie tun in Israels Namen gegen Palästinenser, gegen Araber anderer Länder
und auch gegen Juden, die tot geschwiegen werden.
Später einmal werden Juden, die übrigbleiben, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist,
zu suchen beginnen nach Spuren von Juden, die nicht mittaten sondern warnten.
So haben Deutsche gezeigt nach dem Untergang Hitlers auf Deutsche, die tags
zuvor noch verfolgt wurden oder getötet.
Die sollten nun Zeugen sein, dass Deutsche auch anders waren.
Ob dann noch ein Wort nachlebt von meiner Warnung ? Wichtig aber : ob dann
in Palästina noch Juden leben, Entronnene jener Vernichtung, die sie selbst
herbeiführen halfen durch ihr Unrecht zu meiner Zeit ?